Adblock

Warum der Einsatz von Adblockern egoistisch und kurzsichtig ist und letztlich allen Internetnutzern schadet. Von Ralf Herrmann

Das Prinzip der werbefinanzierten Inhalte und Services könnte kaum einfacher sein: Der Anbieter bietet eine kostenlose Leistung und im Gegenzug bezahlt der Nutzer die Leistung durch seine Aufmerksamkeit für Werbeeinblendung. Ein Tauschhandel, der sich in den klassischen Medien schon seit dem 19. Jahrhundert bewährt hat und uns eine enorme Medienvielfalt zu erschwinglichen Preisen beschert. Der Großteil der Webangebote funktioniert ebenfalls nach diesem Prinzip und jeder Nutzer hat die Wahl, den Tauschhandel auf konkreten Webseiten einzugehen oder nicht. Wenn eine Seite angeblich mit zu viel oder zu penetranter Werbung »nervt«, kann man sie ja einfach verlassen und nicht wieder besuchen. Doch dieses Weg gehen die Adblock-Nutzer nicht. Stattdessen ändern sie den Tauschhandel durch technische Tricks dergestalt ab, dass sie ihre Leistung bekommen, die erwartete Gegenleistung aber einbehalten. Und dies vorsätzlich, dauerhaft und pauschal für sämtliche zukünftig besuchten Seiten.

Es gibt keinen Grund, dieses Verhalten verbal irgendwie in Watte zu packen  —  es ist das, was man in der deutschen Sprache schmarotzen nennt.

Man nimmt die Leistung ohne die erwartete Gegenleistung und baut darauf, dass sich noch genug »Dumme« finden, die das Ganze finanzieren. Und es ist interessant mitzuverfolgen, mit welchen Argumenten sich die Adblock-Nutzer dies schönreden.

Argument 1:
Werbung in klassischen Medien ist ja auch optional

»Während der Fersehwerbung gehe ich auf Toilette«; »im Auto drehe ich während der Werbung die Lautstärke runter«; »die Beilagen in der Zeitung werfe ich unbesehen in den Müll« … So wird gern argumentiert. Werbung sei etwas optionales und ein Adblocker ist als nichts anderes als das Überblättern einer Anzeige in einem Magazin – also normal und völlig in Ordnung. Diese Argumentationsweise nutzt das Mittel der Übertreibung, um das eigene (Fehl-)Verhalten herunterzuspielen. Denn der Vergleich ist keineswegs realistisch. Ein gerechtfertigter Vergleich zwischen Adblock-Nutzung und klassischen Medien sähe so aus: Alle Zeitungen und Magazine würden in zwei Ausgaben zum gleichen Preis erscheinen — einmal mit Werbung, einmal ohne. Der Leser könnte frei wählen, welche Ausgabe er möchte. Werbefinanzierte Fernseh- und Radiosender würden auf jeweils zwei Kanälen senden — einmal mit Werbung, einmal ohne. Der Zuschauer bzw. Hörer könnte wählen, welchen Kanal er einschaltet. Solche Angebote gibt es nicht und wir wissen auch alle warum: Sie sind nicht tragfähig und die Anbieter würden mit so einem Modell binnen kürzester Zeit Pleite gehen und ihren Dienst einstellen. Diese Situation ist für Webanbieter die gleiche. Aber weil sich Adblocker über Jahre, quasi schleichend ausbreiten, ignoriert man die unausweichlichen Folgen und nimmt sich als Adblock-Nutzer was man eben kann — solange es noch geht.

Nicht die Werbung ist optional, sondern das Maß der Beschäftigung mit ihr.

Es steht in der Tat jedem frei, wie sehr man sich mit der Werbung auseinandersetzt. Dies kann auch bedeuten, eine bestimmte Anzeige überhaupt nicht zu beachten. Aber die Werbung muss zumindest mit dem eigentlichen Inhalt ausgeliefert werden, um wirken zu können. Dies ist das mindeste. Ohne wirken zu können, ist kein stabiles Modell einer Werbefinanzierung möglich — und damit eben auch keine professionell erstellten, aber kostenlos nutzbaren Inhalte auf breiter Front.

Argument 2:
Die nervige Werbung zwingt mich ja zum Einsatz von Adblockern

Auch diese Argumentationsweise hört man häufig. Der Adblock-Einsatz wäre eine Art »Notwehrhandlung«, um das Internet überhaupt benutzbar zu machen. Auch mit dieser Argumentation stimmt so einiges nicht. Als jemand, der bewusst und aus Respekt vor den immateriellen Leistungen anderer keinerlei Blockierungsprogramme einsetzt, kann ich klar sagen, dass die vermeintliche Nervigkeit von Internetwerbung vor allem eine Einstellungsfrage ist. Ich bewege mich täglich mehrere Stunden durchs Internet — denn es ist mein Arbeitsplatz. Ich finde die unerträgliche Nervigkeit der Online-Werbung aber nur höchst selten. Und wenn, dann handele ich wie bei jedem anderen Angebot in der realen Welt auch: ich mache von meinem Recht Gebrauch, eine Seite einfach nicht mehr zu besuchen — so wie ich auch einen Laden einfach nicht mehr besuche, wenn er mir missfällt oder die Angebote nicht auf mich passen. Dass ich mir einfach nehme, was ich will, zu den Bedingungen, die ich mir vorstelle — das gibt es aber ich der realen Welt nicht — und es ist auch kein tragfähiges Modell für das Internet.

Ein weiteres Problem ist schlicht die Verhältnismäßigkeit. Weil es eine einzelne Seite vermeintlich mit Werbung übertreibt, schaltet man einen Adblocker ein. Dieser wirkt sich dann aber auf sämtliche in der Zukunft besuchten Seiten aus. Wie kann dies eine angemessene Reaktion sein? Es ist so, als wäre man mit der Qualität einer einzelnen U-Bahn-Fahrt unzufrieden und reagiert darauf, indem man ab sofort weltweit immer Schwarz Bahn fährt.

Argument 3:
Keine Kosten, kein Schaden

Auch dieses Argument hört man regelmäßig, egal ob es um Raubkopien oder den Einsatz von Adblockern geht. Bei physischen Produkten kann jeder nachvollziehen, dass ein Diebstahl Schaden erzeugt, allein schon aus den reinen Material- und Herstellungskosten heraus. Doch bei immateriellen Gütern ist dies nicht so eindeutig und Menschen glauben daher immer wieder, dass deren unvergütete Nutzung keinen echten Schaden erzeugt und somit auch kein echtes Problem darstellt.

In der Tat sollte man nicht versuchen, Raubkopien, Adblock-Nutzung und ähnliches mit dem Diebstahl physischer Produkte auf eine Stufe zu stellen. Man kann sie aber recht gut mit Service-Leistungen vergleichen — etwa der bereits erwähnten Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Da könnte der Schwarzfahrer sagen: »Die Bahn kam doch hier ohnehin vorbei. Ob ich nun mitfahre oder nicht — was spielt es für eine Rolle? Es entsteht kein echter, messbarer Schaden, wenn ich jetzt ohne zu Bezahlen mitfahre. Richtig?«
Und genauso können Adblock-Nutzer argumentieren: »Die Inhalte sind doch produziert. Ob ich nun bei 50.000 Seitenabrufen eines Artikels einen weiteren erzeuge — was spielt es für eine Rolle? Ich schade doch niemandem! Richtig?«

Falsch! Die Argumentationsweise stimmt immer nur dann, wenn es die absolute Ausnahme ist, dass die Leistung ohne Gegenleistung bezogen wird. Steigt die Schwarzfahrer-Quote zum Beispiel auf 30%, dann fehlen eben 30% Einnahmen — ein ganz realer Verlust. Und es wird ein Teufelskreis losgetreten: Die Verluste müssen durch Sparmaßnahmen aufgefangen werden oder auf die noch zahlenden Kunden umgelegt werden. Die werden dies kaum einsehen. Warum sollen sie für die Schmarotzer mitzahlen? Dann fahr ich ab sofort auch schwarz …
Und bei der Ablock-Nutzung sind wir bereits in genau dieser Situation. Einnahmeverluste von 30% wegen Adblockern sind keine Seltenheit — Tendenz steigend. Und bei irgendeiner Quote wird jeder Anbieter irgendwann das Handtuch werfen müssen. Dabei gibt es immer mehr Anbieter, die dem Nutzer sogar die Wahl zwischen Werbefinanzierung und Abo-Modell ohne Werbung lassen. Aber darüber lacht der Adblock-Nutzer natürlich nur, denn er erschleicht sich die Leistung der zahlenden Kunden ja bereits standardmäßig und ist somit auch gar nicht motiviert, das alternative Bezahlmodell zu wählen.

Argument 4:
Mein Browser, meine Regeln

»Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, wie ich das Internet zu benutzen habe!« So wird heut gern argumentiert und damit soll auch gerechtfertigt werden, dass man Seiteninhalte nach Belieben, also den eigenen Interessen, abändern und manipulieren könne. Und formal-juristisch ist das meist auch richtig. Solange man nur Gast einer Webseite ist und durch Nutzungsbedigungen nichts anderes erklärt hat, gibt es keine rechtliche Handhabe gegen den Einsatz von Adblockern.

Doch eine dauerhaft tragfähige Balance zwischen den Interessen von Nutzern und Anbietern kann mit Adblockern auch nicht erreicht werden. Der Großteil der Webangebote wird rein privat betrieben und niemand kann den privaten Anbietern ihre Leistungen irgendwie zwanghaft unentgeltlich abfordern. Wenn die Nutzer nicht bereit sind, das Webangebot im Gesamten anzunehmen und also auch an der Finanzierung mitzuwirken, dann werden die Anbieter ihr Angebot entweder einstellen müssen oder selbst sagen: Wir lassen uns doch nicht vorschreiben, wem wir unsere Inhalte ausliefern. Wie jeder Ladenbesitzer ein Hausverbot aussprechen kann, so kann auch jeder Seitenbetreiber Nutzer aussperren, die nicht bereit sind, ihren Teil zum Fortbestand des Angebotes beizutragen.

Aber müssen wir es wirklich soweit kommen lassen? Soll Webnutzung wirklich ein Technikkrieg sein, bei dem Nutzer und Anbieter versuchen durch Skripte und Gegenskripte den anderen auszutricksen? Das Internet ist nicht der wilde Westen, sondern ein alltägliches Medium und ein regulärer Arbeitsplatz für Hunderttausende Menschen. Wir könnten uns auch einfach wie Erwachsene verhalten und den anderen mit Respekt gegenübertreten, statt zu versuchen, ihn nach dem Prinzip »so viel wie möglich für mich, so wenig wie möglich für den anderen« tagtäglich auszutricksen.

Argument 5:
Aber der Anbieter könnte doch …

Es ist schon erstaunlich: das auf breiter Front und medienübergreifend funktionierende Modell der Werbefinanzierung wird durch Millionen Adblock-Nutzer gerade mit vereinten Kräften zunehmend unmöglich gemacht. Doch spricht man sie darauf an und zeigt ihnen die Folgen auf, weisen sie meist jeglichen Handlungsbedarf weit von sich. Weder steht eine Abschaltung der Adblocker zu Diskussion, noch reißen sich die Adblock-Nutzer wirklich darum, alternative Zahlungsmöglichkeiten statt der ungeliebten Werbung zu nutzen. Warum auch, solange es funktioniert, dass die Inhalte noch zugänglich sind und andere für einen mitbezahlen. Man beklagt sich gegebenenfalls sogar noch lauthals über die mangelnde Qualität der Online-Medien, obwohl man sich selbst jeglicher Finanzierung entzieht, die eine hohe Qualität überhaupt erst ermöglichen würde.

Der Ball wird lieber sofort zurück zu den Anbietern gespielt und man wirft mit (meist ziemlich naiven) Ideen um sich, wie der Anbieter doch »irgendwie anders« Geld verdienen könnte. »Aber Hauptsache nicht von mir und Hauptsache nicht jetzt« lautet die Devise der Internetnutzer. Man gibt sich gar der Idee hin, dass die Macht der Adblock-Nutzung zu einem neuen, für alle Seiten zufriedenstellenden Kompromiss mit »netteren« und »unaufdringlicher« Werbung führen könnte. Doch diese Idee ist meiner Meinung nach in mehrfacher Hinsicht unrealistisch.

Wenn der Webnutzer den erlaubten Grad der »Aufdringlichkeit« selbst bestimmen will, dann heißt dies letztlich nichts anderes, als dass nur solche Werbung geschaltet werden kann, die einfach gar nicht funktioniert. Denn Werbung funkioniert in der Masse nur, wenn sie »stört«. Man denke einmal an einen Fernsehfilm im Free-TV. Das Interesse gilt allein der Handlung, doch mehrere Male im Film  —  wenn es gerade besonders spannend ist  —  wird man aus dem Film gerissen und muss sich anhören, dass Vanish Oxi Action auch die härtesten Flecken entfernt. Und das laut, bildschirmfüllend und ohne Chance, die Werbung überspringen zu können. Wie nervig!
Doch warum akzeptieren wir dies und begrüßen meist ausdrücklich die Vielfalt, die uns private Medien (Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften) durch die Werbefinanzierung bieten können — meinen im Internet dann aber, dass eine simple Bannerwerbung neben dem Artikel wegen seiner vermeintlichen Nervigkeit unbedingt entfernt werden muss? Nur weil Werbung im Internet blockiert werden kann, erzeugt dies automatisch auch eine Rechtfertigung oder gar eine Notwendigkeit?

Außerdem wirkt es fast etwas heuchlerisch, wenn die Adblock-Nutzer nun den Seitenbetreibern und Werbeanbietern sagen, sie wären am Zuge, akzeptablere Werbebanner zu erstellen, bevor man die Adblocker wieder abschaltet. Die Adblock-Nutzer richten sich ja schließlich gerade darin ein, überhaupt keine Werbung mehr zu sehen und dafür auch alternativ nicht zu bezahlen. Sie sehen also fortan keine Unterscheidung zwischen viel und wenig Werbung; zwischen statischer und animierter Werbung. Warum sollten sie ohne Zwang den Adblocker wieder abschalten? Dass der Anbieter es in der Hand hätte und dann irgendwann alles gut wird, ist da nicht sehr überzeugend. Es klingt eher nach einer Ausrede, mit der man das eigenen Handeln irgendwie zu rechtfertigen sucht.

Auch das so genannte Whitelisting ist übrigens keine Lösung. Adblock-Nutzer beruhigen gern ihr Gewissen mit der Aussage, dass sie ja nicht sämtliche Werbung blockieren. Für eine Handvoll Lieblingsseiten hat man eventuell den Werbeblocker deaktiviert. Aber das tägliche Schwarzfahren mit der Bahn wird ja auch nicht legitim und ein tragfähiges Modell, nur weil man einmal im Monat doch ein Ticket löst. Der Schaden, durch die massenhafte Blockierung von Werbung wird immer die theoretisch möglichen Einnahmen einiger weniger Seiten auf der Whitelist überragen — zumindest solange Adblocker nicht ihr Wirkprinzip umkehren und Werbung standardmäßig durchlassen, wenn die Seite nicht explizit vom Nutzer auf eine Blacklist gesetzt wurde.

Auch sollte man nicht unterschätzen, welche Interessen die Anbieter solcher Blockierungsprogramme verfolgen. Sie mögen sich wie Märtyrer präsentieren, die für ein irgendwie »besseres Internet« und gegen die »bösen Mächte« (also hier die Werbeindustrie) und deren kommerzielle Interessen antreten. Diese Art der Selbstdarstellung kennt man ja auch schon von Raubkopie-Portalen, die auf Kosten anderer ihre Millionen scheffeln. Doch nicht selten stehen auch hinter den Blockierungs-Plugins ganz eigene finanzielle Interessen. Die Werbung über Adblock-Systeme zu kontrollieren ist mittlerweile eine Millionengeschäft (t3n) mit »mafiösen« Strukturen (Mobile Geeks). Ghostery verkauft die gesammelte Daten seiner Nutzer an Dritte (Chip) und selbst die Hersteller untereinander führen »Krieg« (GameStar), um ihre eigenen Interessen zu wahren. Auch mit den kostenlosen Blockierungsskripten lassen sich mittlerweile Millionen verdienen und dann zeigen auch die Anbieter ihre Doppelmoral — wenn sie etwa selbst Werbeanzeigen schalten oder Werbung dann durchlassen, wenn sich damit Geld von den Anbietern erpressen lässt.

Man muss sich also auch fragen, ob man als Adblock-Nutzer nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreibt. Statt den Anbietern der Inhalte einfach die gewünschte Gegenleistung direkt zu erbringen, schaltet man zusätzlich unbekannte Dritte dazwischen und gewährt ihnen gegebenenfalls sogar Zugriff auf die eigenen Browserinhalte.

Besonders ärgerlich finde ich es übrigens, wenn meine eigenen Kollegen Adblocker einsetzen — also Menschen, die wie ich von immateriellen Leistungen (Text, Fotografie, Grafikdesign, Illustration, Fonts etc.) leben. Sie erwarten von anderen, dass die eigenen Leistungen respektiert und vergütet werden. Aber ist man selbst im Internet unterwegs und ruft dort die Texte, Bilder, Gestaltungen etc. anderer ab, dann meint man, sich deren Leistungen einfach ohne die erwartete Gegenleistung nehmen zu können. Diese Doppelmoral überrascht und enttäuscht mich.

Ich weiß, dass ich viele Filme, Serien, Musik, Fonts etc. auch irgendwo im Netz zum kostenlosen Download finden könnte. Aber ich suche gar nicht erst danach. Ich bezahle diese Leistungen in den regulären, legalen Kanälen. Dies ist ein Frage von Moral und Respekt. In gleichem Sinne rufe ich Webseiten ohne Adblocker ab.

Denn hinter jedem professionell erstellten Artikel und hinter jedem professionellen Webservice stehen Menschen wie du und ich, die mit ihrer täglichen Arbeit die Existenz der Webinhalte und Services überhaupt erst möglich machen. Indem ich die Seiten ohne Tricksereien abrufe, bringe ich diesen Menschen den gleichen Respekt entgegen, den ich mir von Nutzern meiner Inhalte und Services erwarte. Und bin ich bei bestimmten Websites der Meinung, dass der Web-Anbieter mir einen angemessenen Respekt als Nutzer bzw. Leser nicht ebenso entgegenbringt, dann werde ich diese Angebote in Zukunft meiden. Dies ist die einzig angemessene Reaktion. Passt das Angebot nicht auf mich, frage ich es nicht nach und versuche nicht, mir die Leistung irgendwie zu erschleichen.

Aber selbst wer sich diesen Moralvorstellungen nicht anschließen möchte, sollte zumindest verstehen, dass die Adblock-Nutzung auch aus ganz pragmatischen Gründen den eigenen Interessen und den Interessen anderer Internetnutzer schadet. Wer werbefinanzierte Seiten mit Adblockern abruft, erwartet, dass die Menschen hinter den Angeboten dauerhaft ohne Gegenleistung für einen arbeiten. Dies kann nicht funktionieren und dies sollte jedem einleuchten. Ich kann den neuesten Film direkt bezahlen (Kino, DVD, Download), im Paket erwerben (Pay-TV, Netflix etc.) oder durch Werbung durch andere bezahlen lassen (Free-TV, YouTube etc.). Ich habe die Wahl. Nur eines geht nicht: dass ich als einer von Millionen alle Filme dauerhaft ohne Werbung und ohne Bezahlung konsumiere und erwarte, dass die Filmindustrie dennoch weiterhin für meine persönliche Unternhaltung Filme produziert.

Im Web ist es nicht anders. Ich möchte zum Beispiel auch morgen noch das werbefinanzierte Designtagebuch kostenlos lesen können und nehme die Werbebanner dabei gern in Kauf. Aber wenn Adblock-Nutzer den Betreiber der Seite um seinen verdienten Lohn bringen, wird die Seite vielleicht irgendwann nicht mehr ordentlich gepflegt, ganz geschlossen oder hinter einer Paywall verschwinden. Adblock-Nutzer schaden also sich selbst und allen anderen. Man sägt buchstäblich an dem Ast auf dem man sitzt. Denn Webseiten zu besuchen ist kein Gefallen. Man fragt eine Leistung nach. Wenn man nicht bereit ist, diese Leistung direkt oder indirekt zu bezahlen, wie kann man dann erwarten, dass sie einem morgen noch angeboten wird?

Man stelle sich einmal vor, alle mehrheitlich durch Werbung finanzierten Seiten würden einmal für eine Woche geschlossen vom Netz gehen. Es bliebe nicht viel übrig und die Adblock-Nutzer würden einmal merken, was sie da gerade zerstören. Jeder Adblock-Nutzer sollte einmal am Ende des Tages seinen Browser-Verlauf durchgehen und überprüfen, ob die unzähligen besuchten Seiten vornehmlich werbefinanziert sind und vor allem, ob man gegebenenfalls bereit wäre, statt der Werbung für alle diese Seiten – also praktisch für jeden gemachten Klick — direkt etwas zu bezahlen. Wenn ja, gut! Dann zählt die Stimme der Nutzer, die das Web in ein Bezahlmedium umwandeln wollen. Wenn nicht, dann sollte man nicht — wie Hank Green es zum Abschluss sagt—auf das Herz einstechen, dass das Internet am Leben hält.

I can’t understand why anyone who feels the same way about the Internet that I do would stab at the heart of the thing that makes it work. You can’t have a body without food. You have to feed it. And the advertising is what feeds the Internet … And if it wasn’t there then all of it would either cost money or suck. Hank Green